Miniköche in Aktion

 

 

 

-Presse-

 

NRZ vom 10.3.2003

Seezungenfilets statt Hamburger
 
09.03.2003 / LOKALAUSGABE / DINSLAKEN

 
MINIKÖCHE / Zwiebeln schneiden, Reis kochen und Fische plattklopfen. Kinderkochprojekt des Kreises ist ein großer Erfolg.

DINSLAKEN. Man stelle sich vor: Dreißig zehnjährige Jungen und Mädchen treffen sich, um gemeinsam zu kochen, zu dekorieren und zu servieren. Und es gibt weder Pommes, noch Spaghetti, noch Hamburger. Kaum zu glauben, mag mach einer denken. Doch fast genauso funktioniert das Projekt "Europa-Miniköche". Seit September auch im Kreis Wesel, letzten Samstag im Dinslakener Gasthof "Vier Jahreszeiten".

"Wir wollen die Kinder auf spielerische Art und Weise mit dem Kochen vertraut machen und so ihre Sinne für eine gesunde und ausgewogene Ernährung schärfen", erklärt Heike Hering, ehrenamtliche Leiterin der zwei Projektgruppen im Kreis Wesel. "Die Nachfrage der Acht- bis Zwölfjährigen war sehr sehr groß, wir sind richtig begeistert.", freut sie sich. Die Minikoch-Idee stammt von Koch Jürgen Mädger, der schon 1989 den ersten Kochklub für Kinder in seinem Heimatort Bartholomä ins Leben rief. Mittlerweile gibt es deutschlandweit sieben Projekte mit 350 Miniköchen. Sponsoren aus Gastronomie und Handel unterstützen diese mit jeweils fast 30 000 Euro.

Zwei Jahre lang kommen die 60 "Miniköche" monatlich in regionalen Partnerrestaurants zusammen. Und jedes Mal geht es unter Anleitung von Küchenchefs und Servicepersonal richtig professionell zur Sache: Da wird geschnibbelt, gebraten und gerührt, es werden Servietten gefaltet, Speisekarten geschrieben und Tische dekoriert. Und bei all dem steht der Spaß am gemeinsamen Kochen und die Freude an den leckeren Gerichten im Vordergrund.

Nach Apfelbeignets sowie "Himmel und Erde" wagen sich die kleinen Küchenchefs im Gasthof "Vier Jahreszeiten" erstmals an eine richtig schwierige Kreation heran. "Seezungenröllchen mit Lauchgemüse und Zitronensauce" steht auf dem Speiseplan. "Ganz und gar kein Kindergericht", wundern sich Werner Patzsch und Reiner Schwake, Inhaber und Küchenchef des Lokals. Die beiden haben ihren freien Samstagmorgen geopfert, um gemeinsam mit den Miniköchen am Herd zu stehen. Umso mehr freuen sie sich über das Interesse und das Engagement der Kleinen.

"Wir haben in der Zeitung davon gelesen und da wollten wir sofort mitmachen", erzählen Annika und Christina, beide zehn Jahre alt. Souverän wie die Profis bewegen sie sich in der Großküche und berichten von den Aufgaben des Tages: "Zuerst haben wir die Fische plattgeklopft, dann das Toastbrot geschnitten", so Annika. "Das wurde mit Lachs gemischt und kam danach in die Röllchen", ergänzt ihre Freundin. Dass die fertigen Seezungen den beiden schmecken - da haben die Mädchen keine Bedenken. "Erst dachte ich, ich mag das nicht, aber wir durften schon ein bisschen probieren", flüstert Annika, "der Fisch ist total lecker."

Auch Marco und Philipp, elf und zwölf Jahre, sind von dem Projekt so richtig angetan. Die beiden stehen heute nicht am Herd, sondern gehören zur Servicegruppe. Wie zwei Oberkellner flitzen sie durchs Restaurant und entfalten ihre kreativen Ideen bei der Tischdekoration. Das macht den beiden genauso viel Spaß wie die Arbeit an Schneidebrett und Gasherd. "Da ist es nur noch ein bisschen aufregender", findet Philipp und erzählt stolz, wie er seinen Opa mit einem selbstgekochten Essen überrascht hat. Für ihn ist schon völlig klar, dass er später einmal ein "richtiger Koch" werden will.

JONAS BERTLING
 

 

RP vom 10.3.2003

 

Alles im Griff in Küche und Service: Mini-Köche im Restaurant "Vier Jahreszeiten"

 

Kinderhände an Fisch und Minzsoße

DINSLAKEN (RP). Es gibt Seezungenröllchen, gefüllt mit Blattspinat und Lachs. Auf dem Herd köchelt Lauchgemüse in Sahne. Und Stefanie hat die Faszination des Grauens gepackt. "Baaa! Fühlt sich das eklig an", ruft sie hocherfreut und greift mit Begeisterung nach dem nächsten Stück Fisch: "Glibschig! Ich roll` schon mal, ja? Das schmeckt bestimmt lecker."

Durch die Küche fliegen Begriffe wie "Saucenspiegel", "blanchieren" und "einreduzieren". Rund 30 Achtbis Zwölfjährige machen an diesem Samstagmittag das Restaurant "Vier Jahreszeiten" unsicher: Die Hälfte als Kochmannschaft, die übrigen als Service-Team. Das "Projekt Europa-Mini-Köche" führt Kinder in Gastronomiebetrieben an die Küchenpraxis.

Unter fachkundiger Leitung drücken Kinderhände Lachsfarce auf Spinatblätter, rollen Fischfilets und träufeln himbeerrote Kleckse auf türkisfarbene Minzsoße für das Dessert.

"Das ist ja wie im Sandkasten", meint Christoph. Franziska stellt misstrauisch fest: "Ich hasse Fisch." Dahinter lächelt wohlwollend Küchenchef Reiner Schwake: "Doch, doch, sie machen sich gut." Er selbst braucht für so ein Seezungenröllchen - "zwanzig Sekunden vielleicht? Aber den Kindern macht`s sicher viel mehr Spaß als mir."

 

Werner Patzsch, Inhaber des "Vier Jahreszeiten", lässt die Kinder an Nelken und Lorbeerblättern schnuppern und säbelt mit Schwung die Enden von einer Gemüsezwiebel: "Wer will Zwiebeln schneiden?" Nebenan erfährt Oberkellner Fabian, was er zu tun hat, wenn es an das gemeinsame Essen geht: Kommandos geben. Auf sein Zeichen werden die Servicekräfte den Essern die Speisen vorsetzen.

Damit das auch klappt, übt Saskia schon mal das Tragen von drei Tellern - in diesem Falle Untertassen - mit nur zwei Händen. Service-Praktikantin Jasmin Werznek biegt Saskias Finger zurecht: "Der Teller muss da in die Kuhle, und der andere da oben drauf" - das war`s, scheppernd verabschiedet sich Teller Nummer drei.

Derweil übt Marco die hohe Kunst des Serviettenfaltens: "Auseinander, die Ecke nach unten - wie war das jetzt?" Zuletzt noch diese Ecke in jene Lücke stopfen. "Und dann muss man gucken, ob`s hält." Es hält. Auf jedem Platz steht ein Serviettengebilde, und Silke Patzsch gibt letzte Anweisungen an das Team: Auftragen von rechts. Servieren im Uhrzeigersinn. Gläser polieren, niemals Fingertapsen hinterlassen. "Gläser immer mit dem Emblem zum Gast hinstellen, damit er sieht, was er trinkt."

Für Werner Patzsch ist das Miniköche-Projekt Nachwuchsarbeit. "Wir hoffen, dass die Kinder sensibilisiert werden für das Essen. Es gibt auch noch was anderes als McDonalds", erzählt die Mitbegründerin der Weseler Gruppe, Heike Hering. "Viele Kinder wissen ja heute gar nicht mehr, was auf den Tisch kommt."

Von SINA ZEHRFELD